Vorweg ein wichtiger Hinweis:
Wer großen Wert auf ein “schönes” Board legt und nicht unbedingt auf Schlangen oder Totenkopf-Kitsch steht, der kann hier aufhören zu lesen. Das Process Off-Axis ist hässlich. Und das mal so richtig! Sich seltsam verwindendes Getier auf matt und glänzendem Schwarz/Grau und eine nicht minder hässliche Base beim ‘16er, super-kitschiges Totenkopf/Blumen-Gemisch beim ‘17er. Bääh
Es muss also andere Gründe geben, weshalb ich seit letzter Saison fast ausschließlich auf dem Off-Axis unterwegs war. Aber alles der Reihe nach:
1. Rider Facts
Ich bin 181 groß, ca 80kg schwer (ohne Material), Fortgeschrittener und das ‘16er Off-Axis in der Länge 155 jetzt irgendwas um 20 Tage unter den unterschiedlichsten Bedingungen gefahren.
Der Rest vom Setup: Burton Malavita EST ’16 + Northwave Decade Boots (etwas stiffer, würde sagen 7/10) in EU42
2. Infos zum Board
Das erste mal gefahren bin ich das Process Off-Axis beim letzten '16er Hintertux Opening, als ich mich nach einer softeren Alternative zum Burton Custom Twin umgeschaut habe. Und im Grunde ist das Off-Axis auch genau das, denn es ist zwar etwas weicher, aber genau wie das CTwin ist es eine true twin Freestyle Maschine mit ähnlichem Shape und einem vergleichbaren, asymmetrischen Aufbau: Der Squeezebox Kern ist auf einen Freestyle-typischen Duckstance ausgerichtet und der Sidecut Radius an Toe- und Heelside ist verschieden. Es gibt also eine Vorgabe wo der linke und rechte Fuß zu stehen hat.
Das Gewicht ist gering. Ich habe es nicht auf die Waage gelegt, aber ganz subjektiv fühlt es sich sehr leicht unter den Füßen an. Ein Custom ist definitiv schwerer.
Im Gegensatz zum Custom ist auch die Vorspannung kein standard Camber, sondern Burtons neuer ‘PurePop Camber’. Schaut man sich das Board genau an, erkennt man ziemlich deutlich, dass der Camber an den Kontaktpunkten in einen kleinen flat Bereich ausläuft. Dennoch ist die Vorspannung deutlich vorhanden und das Feeling keineswegs mit einem flat Board zu vergleichen. Ich bin während des Openings kurz zuvor ein Rome Gang Plank gefahren und das unterschiedliche Profil ist sehr deutlich zu spüren.
Das ‘16er und ‘17er Modell ist bis auf die anderen Graphics übrigens identisch.
3. Allgemeiner Fahreindruck
True Twin, positive Vorspannung (Camber), ein einfacher radialer Sidecut und eine normal lange effektive Kante (119,5cm beim 155er) lassen vermuten, dass es sich auf der Piste vorhersehbar verhält und überall unspektakulär, aber gut funktionieren wird.
Die Praxis bestätigt diese Vermutung dann: Enge und weitere turns aller Art funktionieren gut, machen Spaß und beim Carven macht sich die Vorspannung positiv bemerkbar und das Board lebendig und snappy beim Umkanten. Klar, es ist und bleibt ein true twin, aber es handelt sich ja schließlich auch um ein Freestylebrett.
Die gesinterte Base nimmt viel Wachs auf und läuft sehr gut und schnell. Ich bin es vor kurzem im direkten Vergleich (direct nacheinander, selber run inkl. Den selben Ziehwegen) mit einem Easy Livin gefahren: Das Off-Axis war spürbar schneller. Vice Versa war der Besitzer des Easy Livin auf meinem Off-Axis ebenfalls schneller – es lag also wohl definitiv am Board.
Am wohlsten aber fühlt sich das Off-Axis, wenn es dynamisch bewegt wird. Setzt man die richtigen Impulse hat man ein unheimlich lebendiges und reaktives Board unter den Füßen.
Switch geht natürlich dank des true twin shapes easy und wird wohl nur durch die eigenen Switch-Skills begrenzt.
Den asym. Aufbau merkt man übrigens nicht sehr deutlich. Das Board fühlt sich sowohl auf der Toe- als auch der Heelside sehr gut an. Hier würde mich der direkte Vergleich mit einem regulären Process mal interessieren – Den werde ich ggf. später nachrreichen.
4. Kantenhalt und Stabilität
Die Kante hält. Hardpack, Eis, alles kein Problem solange die Kanten ordentlich scharf sind und man weiß, was man da auf dem Board tut. Wer seine turns nur rutscht oder mit super unsauberer Technik fährt, der mag mit einem Magnetraction Board besser beraten sein – Aber alle, die ihre Kanten bewusst einzusetzen wissen, werden nicht enttäuscht werden und mit ordentlichem Kantenhalt und ausreichend Stabilität belohnt werden.
Bei höherem Speed und schlechteren Pisten fühlt sich das Board dann allerdings nicht ganz so souverän wie ein Custom an! Es bleibt zwar einigermaßen ruhig und vermittelt auch ausreichend Vertrauen, um mal Gas zu geben; Die Dämpfung ist aber nicht wirklich stark ausgeprägt: Was sich sonst agil und direkt anfühlt, führt schnell dazu, dass vieles ungefiltert durchkommt und das Board nicht einfach “wie auf Schienen” läuft.
Ich war damit bislang knapp über 70 Sachen schnell unterwegs und hätte keine Bedenken, es auch noch schneller laufen zu lassen wenn es die Bedingungen hergeben. Kein ernsthaftes Flattern an Nose und Tail.
5. Flex und Pop
Der Flex ist über die Länge harmonisch und deutlich (!) weicher als der eines Custom Twin. Auf meiner subjektiven Flex-Skala würde ich dem Off-Axis eine 4/10, dem Custom Twin eine 7/10 geben. Auch torsional ist das Off-Axis eher von der weichen Sorte.
Pop! Die Paradedisziplin des Boards: Was viele andere Bretter nicht schaffen gelingt dem Process Off-Axis per excellence: Einen etwas weicheren Flex mit richtig gutem Pop zu verbinden! Und wie! Sich über Nose oder Tail aus der Fahrt rauszupoppen oder Sidehits aller Art mitzunehmen macht einfach Spaß.
6. Pistenfreestyle
F*ck yeah, dafür ist das Off-Axis gemacht!
Die flat Bereiche des PurePop Cambers ergeben zusammen mit dem blunted shape an nose/tail eine große und breite Plattform für Presses und eine saugute Basis für butter Tricks. Das zusammen mit dem super Pop, dem geringen Gewicht und der dynamischen snappy Feeling macht einfach unheimlich viel Spaß! Mein Repertouir and Butter Tricks ist zwar noch nicht allzugroß, aber das Off-Axis ist genau das richtige Board, um eben dies auszubauen!
Vorsicht: Wer ein super easy Board sucht, mit dem alles wie von selbst gelingt, der möge zu einem weichen Rocker greifen. Das Off-Axis verlangt schon nach einer passenden Technik und etwas Kraft in den Beinen. Ist aber alles machbar und das Off-Axis motiviert mich mehr als alle Bretter, die ich bislang gefahren bin, die Piste als Spielplatz zu nutzen und einfach Spaß beim snowboarden zu haben. Fettes Grinsen inklusive
7. Jumps
Ein leichtes aber stabiles Board mit gutem Pop, true twin, Camber Vorspannung und einem mittleren-bis-weichen Flex – Was kann es zum kickern besseres geben! Für die Pro-Line vielleicht unterdimensioniert, aber die werde ich in diesem Leben auch nicht mehr springen.
8. Pipe
Außer ein paar chilligen Runs durch die Mini Pipe im Vans Penken Park war ich damit nicht in der Pipe. Macht zwischendurch sicher auch in einer großen Pipe Laune, für ernsthaftes Pipe Riding wirds aber vermutlich zu weich sein.
9. Jib
Ich bin kein großer Jibber. War ich nie und ich habe da auch keine größeren Ambitionen. Ein paar Boxen und ein, zwei Rails hat das Off-Axis trotzdem schon gesehen und da hat alles ganz gut gepasst. Man muss halt einigermaßen sauber fahren, denn es ist deutlich weniger verzeihend als ein super weicher Jib Rocker mit runden Kanten. Die Base und Kanten haben auch alles gut weg gesteckt. Es hat die üblichen Spuren davon getragen, nichts positiv oder negativ erwähnenswertes.
10. Pow und Freeride
Ich habe das Glück für Pow oder Freeride auf andere Boards zurückgreifen zu können und bin das Off-Axis nur ein paar mal kurz abseits gefahren. Hier und dort ein paar Meter neben die Piste geht wohl mit jedem Board irgendwie - und das Off-Axis macht da keine Ausnahme – aber zum richtigen Powdern und Freeriden ist es definitiv das falsche Brett
Zusammenfassung
Pop: 9/10 – Sehr guter Pop! Für den eher weichen Flex sensationell gut!
Piste: 8/10 – Nichts für Highspeed Carving Orgien, aber für alles andere funktionierts wunderbar
Pistenfreestyle: 10/10 – Bestes Pistenfreestyle Board der Welt!
Kicker: 9/10 – Wenn’s nicht nur die Pro-Line sein soll ein perfektes Jump Board
Pipe: wird ggf. später ergänzt
Jib: 5/10 – Weich genug für easy presses aber es ist wohl eher was für den Präzisions-Jibber
Powder / Freeride: 4/10 – Ein weiches, kurzes, true Twin Camber Board ist da einfach das falsche.
Passendes Fahrerprofil
Das perfekte Brett für einen Freestyle-fokusierten Rider, der auf Pop und Agilität steht, die Vorteile eines Camber Boards zu nutzen und schätzen weiß, dem aber ein Custom Twin zu hart und agressiv ist. Zum Powdern, für Jib-Fanatiker oder jemanden mit sehr schweren Knochen nicht die erste Wahl - Für mich war es jedoch die perfekte und ich habe wie bei keinem zweiten Board bislang das Gefühlt “mein Board” gefunden zu haben. Die hässlichen Graphics habe ich inzwischen auch vergessen – und mit Stickern schaut’s doch auch gleich besser aus